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Die Kinder der Revolution - Junge Opposition unter Orbans' Regime

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Einleitung

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Ungarn, rechts außen.



„Nach den Wahlen werden wir selbstverständlich Genugtuung nehmen, moralische, politische und auch juristische Genugtuung!“

Diese Drohgebärde des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in seiner Rede zum Nationalfeiertag am 15. März richtet sich an seine politischen Gegner. Oppositionsparteien, Aktivisten, kritische Journalisten sind gemeint. Und die Botschaft wird verstanden. Kritiker der rechtsnationalistischen Regierung sind sich bewusst, dass eine Wiederwahl der regierenden Fidesz-Partei weitere Einschränkungen bedeuten wird.





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Am 8. April finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. Es sind zwar freie Wahlen, aber sie sind nicht fair. In den vergangenen acht Jahren hat Viktor Orbán mit seiner Fidesz-Partei das Land in eine „illiberale Demokratie“ umgebaut. Das Wahlsystem ist zum Vorteil der aktuell regierenden Partei gezinkt und die Opposition in viele Kleinstparteien zersplittert und somit kaum eine Gefahr für die Regierung.


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Medien und Pressefreiheit werden eingeschränkt. Redaktionen werden unter Druck gesetzt und zum Teil von regierungsnahen Oligarchen aufgekauft. Staatliche Medien berichten einseitig regierungsfreundlich. Oppositionsstimmen erhalten in Staatsmedien keine Plattform und somit kein Gehör beim Publikum.

Gezielte, staatlich finanzierte Hetzkampagnen und Falschinformationen sollen das Volk auf Habacht-Stellung gegen Migranten und Feinde von außen halten und von den Machenschaften der Regierung ablenken.

Die Unabhängigkeit von Gerichten und Behörden ist nicht gewährleistet. Viele Posten wurden in den vergangenen acht Jahren mit regierungskonformen Beamten besetzt. Wirtschaft und Sozialsystem sind marode. 40 % der ungarischen Bevölkerung lebt an der Armutsgrenze.
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Eine weitere Wiederwahl mit 2/3-Mehrheit für Orbáns Fidesz-Partei birgt die Gefahr, Ungarn nun endgültig zu einer Autokratie umzubauen.

Während in Europa eine Tendenz zur Abschottung sowie ein allgemeiner Rechtsruck spürbar ist, wird der Demokratieabbau in Ungarn zur Blaupause für andere Staaten.
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Doch es gibt eine junge Generation von Ungarn, die um die Wendezeit geboren wurde und sich das wünscht, was für ihre Altersgenossen in Europa selbstverständlich ist:

Demokratie, Freiheit und die Chance auf ein gutes Leben. Sie sind entschlossen, sich Viktor Orbán entgegenzustellen. Friedlich, engagiert und originell.

Fünf von Ihnen haben wir im vergangenen Jahr begleitet.
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die 5 Kinder

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Outro

Ungarn und Europa

Vielleicht fragt man sich ob der Relevanz der Vorgänge in diesem kleinen, osteuropäischen Land. Ja, schlimm sind diese Entwicklungen. Vor allem für viele der Menschen, die dort leben. Aber den Rest Europas betrifft ein kleiner Ausreißer nicht, könnte man annehmen. Das ist nicht ganz richtig. Der ungarische Ministerpräsident Viktór Orbán und die Fidesz-Regierung haben in den vergangenen acht Jahren ein Land zur „illiberalen Demokratie“ umgebaut. Die Mechanismen einer freien Gesellschaft sind in großen Teilen demontiert. Die Regierung Orbán liefert einen Bauplan für andere europäische Staaten, die weiter nach rechts rücken. Polen voran, gefolgt von Tschechien, der Slowakei, Österreich. Der Erfolg des Regimes weicht bisherige Tabus auf. Deutsche Politiker provozieren und wagen es, verbal zu zündeln. Parteien am rechten Rand gewinnen Wähler aus der Mitte der Gesellschaft. Eine Spaltung zwischen „Uns“ und „Denen“ entzweit die Menschen. Ein Blick auf die Geschehnisse in Ungarn ist daher unbedingt nötig. Dabei aber auch ein hoffnungsvoller, auf Bürger, die sich dem Regime friedlich und couragiert entgegenstellen.
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Idee & Redaktion: Linda Salicka
Text: Linda Salicka
Technische Umsetzung: Claas-Hendrik Berg
Illustration: Luise Hellmund
Grafische Gestaltung: Linda Salicka
Video & Fotografie: Linda Salicka, Roman Schaible
Postproduktion: Linda Salicka, Claas-Hendrik Berg

Für das entgegengebrachte Vertrauen danken wir Márton Gulyás und der überparteilichen Bewegung „Közös Ország Mozgalom“, Comedienne und Journalistin Réka Kinga Papp, Aktivist Bálint Misetics und der Organisation „A Város mindenkie“, András Fekete-Györ und der „Momentum“-Bewegung, der Journalistin Lili Bayer, dem Experten für Wahlrecht Róbert László vom politischen Think Tank „Political Capital“, Florian Lienkamp, Kevin McElvaney und Markus Haaser für technischen Support und den zahlreichen Journalistenkollegen und privaten Kontaktpersonen, deren Namen wir in Dank verbunden an dieser Stelle ungenannt lassen wollen.  
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MARTON

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Tausende junge Ungarn protestieren in dieser Nacht vor dem Präsidentenpalast im Burgviertel von Budapest, als Márton Gulyás einen orangenen Farbbehälter gegen die Fassade des Präsidentensitzes wirft. Kurze Zeit später liegt er in Handschellen auf dem Boden, niedergerungen von den umstehenden Polizisten.

In dieser Nacht wird das Leben des aufstrebenden Theaterregisseurs eine einschneidende Wendung nehmen.
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„Natürlich würde ich viel lieber wieder Theater machen, oder Filme drehen, aber die politische Lage in Ungarn zwingt mich dazu, als Aktivist für mein Land und den Erhalt der Demokratie zu kämpfen.“ erzählt Gulyás nachdenklich im Rückblick auf die vergangenen Jahre. In den Fußstapfen seines Vaters, einem bekannten ungarischen Dokumentarfilmer, zog es ihn schon früh ans Theater. Als geschäftsführender Leiter des gesellschaftskritischen Kreta Kör-Theaterensembles hatte er seinen Platz gefunden. Der Gründer und künstlerische Leiter Árpád Schilling, ein angesehener Regisseur wird zum Mentor des jungen, ambitionierten Theatermachers.

Márton Gulyás ist ein offener, charismatischer Anfang-Dreißigjähriger. Seine an K&K-Zeiten erinnernde Höflichkeit und Anmut täuschen schnell darüber hinweg, dass er zwar die Inszenierung liebt, sich selbst aber im Gespräch immer wieder hinterfragt und die Wichtigkeit seiner Person ablehnt. Es geht ihm um die Sache und er ist bereit, für das Gemeinwohl persönliche Opfer zu bringen, betont er.

Als er Mitte 2015 aus seinem privaten Wohnzimmer heraus den Youtube-Vlog „Slejm – Politik, die im Halse stecken bleibt“ startet, musste sein Kreta Kör aufgrund von Schikanen und langwierigen Prüfungen, die den Betrieb belasteten, bereits aufgeben. 

Viele Theater- und Kunstschaffende leben bereits im Exil. Unter Ihnen Mártons Mentor Árpad Schilling, der nun unter anderem am Wiener Burgtheater inszeniert. In seinem wöchentlichen Videoblog möchte der streitbare Aktivist aufklären und den Finger in die Wunde legen. „Wir können auch auf die Ankunft des rettenden Engels warten, der für uns alles in Ordnung bringt. Bis dahin sind wir auf uns gestellt. Auf diesem Kanal werden ich Gedanken, Initiativen, interessante Persönlichkeiten oder Bewegungen aus dem In- und Ausland vorstellen.“ moderiert er vor seinem Bücherregal auf einem Sitzsack das Auftakt-Vlog.

Zwei Jahre später ist „Slejm“ zu einer festen Größe geworden. Der Kanal zählt inzwischen über 20.000 Abonnenten, durchschnittlich 15.000 Zuschauer verfolgen die Episoden. In wortgewandtem Stakkato produziert Márton aus seinem improvisierten Studio mit Stoff-Greenscreen in einer dürftig möblierten Altbauwohnung im Pester Szeneviertel. Die zusammen gesammelten Büromöbel und IKEA-Klappsofas sind größtenteils Spenden von Freunden und Anhängern. Eine persönliche Note verleiht lediglich die Star Wars-Kuscheldecke auf einem der Sofas. Aus dem Ein-Mann-Projekt ist ein kleines Produktionsteam geworden, das mit wenigen Mitteln professionell einstündige Episoden und mehrreihige Dokumentationen fertigt.

Die Themen, die Márton bewegen sind so breit gefächert, wie die Nöte des durch die Fidesz-Regierung eingeschränkten Landes: Politskandale und Nepotismus, die menschenunwürdige Internierung Geflüchteter in Röszke an der ungarischen Grenze, Korruption und Veruntreuung von Steuer- und EU-Mitteln, Wohnungsnot, unterbezahlte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Roma-Minderheit im Land, die millionen-teure Schmutzkampagne gegen Milliardär und Philanthrop George Soros - Sendungsinhalte sind in einer „illiberalen Demokratie“ zahlreich zu finden.
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Mit dem Flugzeug sind wir gekommen

Am 28. März 2017 legt die ungarische Regierung den Gesetzesentwurf zur Modifikation des Hochschulgesetzes vor. Die Ratifizierung würde in Konsequenz die Schließung der von Milliardär George Soros gegründeten Central European University bedeuten. Das Gesetz sieht vor, dass jede ausländische Universität einen in ihrem Heimatland vollfunktionsfähigen Universitätsbetrieb nachweisen müsse. Der Muttersitz der CEU in New York hingegen dient nur der Verwaltung.

Die Central European University wurde 1991 gegründet, um in den „postkommunistischen Ländern offene Gesellschaften zu fördern und den Wandel der Länder konstruktiv und aktiv zu begleiten und mitzugestalten“. Sie rankt unter den 200 besten Universitäten weltweit. Ihr Gründer, George Soros, ungarischstämmiger US-Milliardär und Förder von demokratiefördernden Zivilorganisationen, ist in den Augen des Regimes jedoch mittlerweile Staatsfeind Nr. 1.

Anfang April beginnen Studenten zu zehntausenden auf den Straßen Budapests gegen die Unterzeichnung des Gesetzesentwurfs durch Staatspräsident János Áder und die dadurch drohende Schließung der Universität zu protestieren. Anfangs zu 5.000 – 10.000, wächst binnen einer Woche die Gruppe der Protestierenden am Tag vor der Gesetzesunterzeichnung auf 80.000 Menschen an.

Über die Staatsmedien lässt die Regierung in den ersten Tagen der Proteste verkünden, es handele sich nicht um Budapester Studenten, sondern gekaufte Demonstranten, die von Soros eingeflogen wurden. Die jungen Demonstranten nehmen diese Behauptung humorvoll auf, malen Schilder und skandieren „Mit dem Flugzeug sind wir gekommen“. Demonstrationen bleiben sowohl von Seiten der Bürger als auch der Polizei friedlich. Familien mit kleinen Kindern ziehen vom Parlament am Kossuth Platz zum Heldenplatz am anderen Ende der Innenstadt.

Die Staatsmedien ignorieren die Massenproteste tagelang. Mit einer Eskalation ist nicht zu rechnen. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der ungarischen Polizei läuteten das Ende der Vorgängerregierung Ferenc Gyurcanys ein. Grund für den Aufruhr war eine Tonbandaufnahme, auf der der damalige Ministerpräsident eingestand, die Wähler belogen zu haben. Die Bilder von Polizisten, die auf Bürger einprügelten, führten zum Sturz der Regierung. Aus diesen Ereignissen gelernt, vermeidet die Regierung jegliche öffentliche, gewalttätige Konfrontation. Die Oppression findet subtil statt.

Als sich nach den großen Protesten am Vorabend der Gesetzesunterzeichnung der Eindruck verfestigt, der Widerstand ändere nichts an Àders Unterzeichnung des Lex CEU, schmiedet Márton Gulyás verzweifelt einen Plan. „Überall auf der Welt sieht man auf Demonstrationen mal ein Fenster zu Bruch gehen, oder Scharmützel zwischen Demonstranten und Polizei. Die Ungarn sind da anders. Wir sind ein sehr höfliches, unterwürfiges Volk. Ich hatte die Befürchtung, nichts würde sich bewegen, obwohl tausende Menschen protestierten.“    


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  10. April 2017. Die Befürchtungen werden Realität. Ungarns Präsident János Áder unterzeichnet die umstrittene Lex CEU, gegen den Protest des EU-Parlaments, einer Petition mit über 30.000 Unterschriften aus 134 Ländern, einer 11-köpfigen Gruppe ehemaliger US-Senatoren und Solidaritätsbekundungen von Universitäten weltweit. Zu einem spontanen Protest treffen sich tausende junger Budapester und ziehen von der Sendezentrale des ungarischen Radios vor dem Präsidentenpalast.

Mártons Erkenntnis aus den Ereignissen der vergangenen Tage ist klar: Diese Art von Protest wird nichts bewegen. Die Regierung wird den Widerstand ignorieren, bis die Bürger müde sind und die Lex CEU vergessen.

Er fährt zum Baumarkt und kauft orangene Farbe. Die Farbe der regierenden Fidesz-Partei. Er will ein Zeichen setzen. Als er abends zu den Demonstranten auf dem Burgberg stößt, wird er sich nicht mit dem Skandieren von Parolen begnügen. Er wirft einen mit orangener Farbe gefüllten Behälter gegen die Fassade des Präsidentenpalasts. Kurze Zeit später liegt er in Handschellen auf dem Boden, niedergerungen von den umstehenden Polizisten.
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Nach dem Farbbeutelwurf auf den Präsidentenpalast wird Marton Gulyas am 10.April 2017 von der Polizei in Gewahrsam genommen.

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"Márton Gulyás, bist du eine Schwuchtel?" - Schauprozess und Schachzüge

Die kommenden 72 Stunden verbringt er in einer Einzelzelle und wartet auf seine Verhandlung, während hunderte von Sympathisanten vor dem Gefängnis ausharren und lautstark „Marci raus, Orbán rein!“ rufen. Als Márton Gulyás 3 Tage später in Hand- und Fußfesseln dem Haftrichter vorgeführt wird, ist die Stimmung längst gekippt.

Für die jungen Budapester ist er zur Heldenfigur geworden. In einem Schauprozess wird er für den Schaden an der Fassade in Höhe von umgerechnet 70 Euro in erster Instanz zu 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Eine Strafe, die Nachahmer abschrecken soll. Doch der Hype ist groß. Um die Heldenfigur zu demontieren, lancieren am Folgetag zunächst „Ripost“, später „Origo“ und „888.hu“, staatsnahe Boulevardmedien, einen Schmähartikel mit dem Titel „Márton Guylás, bist Du eine Schwuchel?“.

Homosexualität findet in Ungarn gesellschaftlich noch nicht die Akzeptanz, wie andernorts. Ein Outing kann zum gesellschaftlichen K.O. führen.

Souverän übernimmt Márton die Regie. In einer Videobotschaft fordert er die Redakteure auf, ihm diese Frage von Angesicht zu Angesicht am nächsten Tag auf der Bühne der Demonstration gegen die Unterzeichnung der Lex CEU zu stellen.

Zwei Tage nach der Entlassung steht Márton Guylás auf dem Podium der Protestveranstaltung und wartet vergeblich auf einen der Redakteure. Doch er bleibt die Antwort auf die Frage nicht schuldig. „Ihr möchtet wissen, ob ich eine Schwuchtel bin? In Euren Augen ist jeder eine Schwuchtel, der es wagt, Kritik zu üben! In Euren Augen ist jeder ehemalige Népszabadság-Redakteur eine Schwuchtel. In Euren Augen ist jede Lehrerin eine Schwuchtel. In Euren Augen ist jeder ABM-Maßnahmen-Arbeiter, jeder Akademiker und jeder Mitbürger, der nicht überlegen möchte, ob er entweder wohnt oder isst eine Schwuchtel! Wir leben im Fidesz-Staat. Und so lange Ihr an der Macht seid, wird die Mehrheit dieses Landes aus Schwuchteln bestehen.“

An diesem Abend wächst ein Entschluss in ihm: Er wird eine Bewegung starten. „Ein Land für Alle“

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Gefährder des Landesfriedens

Am ersten Tag nach der Sommerpause tagt der Nationale Sicherheitsausschuss des Parlaments hinter verschlossenen Türen. Ein schwelendes Problem wird diskutiert. Der Druck der Opposition auf das Regime wird stärker. Gemeinsam mit Regisseur Árpad Schilling und Bürgerrechler und Oppositionspolitiker Gábor Vágó wird Márton Gulyás zu Gefährdern des Staatsfriedens ernannt.

Das ungarische Parlament stuft alle drei als „potenzielle Vorbereiter staatsfeindlicher Aktivitäten“ ein. Sie hatten ein Referendum gegen Korruption beantragt und eine Demonstration im Heimatort Viktor Orbáns organisiert.

„Wenn wir davon ausgehen, dass Ungarn ein Rechtsstaat ist, finde ich es wichtig, dass wenn eine derartige Behauptung aufkommt, sie auch Konsequenzen haben muss. Daher fordere ich eine Untersuchung des Falles, um festzustellen, ob eine Gefährdung des Staatsfriedens durch mich vorliegt.“ erklärt Márton Gulyás vor laufenden Kameras, bevor er sich selbst anzeigt.

Wenige Wochen später wird seitens der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass keinerlei Gefährdung des Staatsfriedens von ihm ausgeht.
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Agora und die Geburt eines Movements

In den vergangenen acht Jahren Fidesz-Regierung wurden Verfassung, Medien und das Wahlsystem des Landes zu Gunsten der regierenden Partei umgebaut. Eine Wiederwahl Viktor Orbáns ist fast unausweichlich.

Der Großteil der Zeitungen, Radio- und Fernsehsender sind verstaatlicht, oder Eigentum regierungsnaher Oligarchen. Nachrichten, die den Bürger erreichen, sind vorgefiltert.  Unabhängige Medien leiden an ausbleibenden Anzeigenverkäufen aus staatlicher Hand und eingeschüchterten Privatunternehmen, die aus Angst vor Nachteilen auf Werbung in unabhängigen Medien verzichten.
Kritische Töne zur Politik Viktor Orbáns sind kaum mehr zu hören. Gegnerische Parteien erhalten lediglich auf kleinen Privatsendern das Wort. Politische Talkshows oder Debatten zwischen Regierung und Opposition existieren nicht.

Die politische Landschaft in Ungarn besteht aus über 200 Parteien. Aber auch die fünf bis sechs etablierten politischen Gegner der Fidesz sind nicht stark genug, allein einen Wahlsieg zu erringen. Tief gespalten und misstrauisch gegenüber ihren Mitbewerbern sind die Wenigsten zu strategischen Kooperationen untereinander bereit. Aber nur mit Taktik und Zusammenhalt können die Wähler erreicht und ein Regierungswechsel errungen werden. Um dies zu schaffen, gründet Márton Gulyás im Frühling die „Ein Land für Alle“-Bewegung (Közös Orszag Mozgalom/KOM).




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Gemeinsam mit mehr als 180 Aktivisten arbeitet er über den Sommer daran die Bewegung ins Leben zu rufen. Er lädt sämtliche Parteien ein, gemeinsam eine Reform des Wahlsystems zu erarbeiten. Acht Parteien willigen ein. In der Alkotmány Utca, der Straße die geradeaus auf das Parlamentsgebäude zuläuft, errichtet KOM einen temporären Pavillon - eine Agora aus Baugerüsten und Staubschutznetz. Sie wird zu einem Raum für Begegnung und Diskussion werden, wie der griechische Marktplatz, dem sie ihren Namen verdankt.

Eingeladen sind alle: interessierte Bürger, Medien, politische Parteien. Das, was im Parlament seit Jahren nicht stattfindet, soll hier seinen Platz finden. Vier Wochen lang steht der Pavillon provokant vor den Augen des Regimes im gegenüberliegenden Gebäude. Diskussionsforen sollen politikverdrossenen Bürgern Wissen und Information vermitteln, regierungskonforme Medienvertreter streiten mit unabhängigen Redakteuren und acht Oppositionsparteien verhandeln regelmäßig die Grundlagen eines neuen, gerechten Wahlsystems.

Es weht ein Wind der Hoffnung durch die ausverkauften, menschenleeren Straßen des Regierungsviertels. Bevor die Agora ihre Türen schließt vor Herbstanfang schließt, stehen die Unterschriften von acht Oppositionsparteien unter dem Referendum, welches im Parlament abgestimmt werden soll.
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 Rückschlag und Ungehorsam

In der Woche des Staatsgedenktages zum Ungarnaufstand 1957 soll die Entscheidung über das Referendum zur Änderung des Wahlsystems fallen. Traditionell finden am Staatsfeiertag Kundgebungen aller großen Parteien statt. Mártons „Ein Land für Alle“-Bewegung hat alle unterschreibenden Parteien zu einer gemeinsamen Kundgebung am 23. Oktober eingeladen. Einigkeit zeigen. Stärke. „Es wird scheitern. Das ist leider absehbar. Die parlamentarische Diskussion über den Gesetzesentwurf wurde abgelehnt. Die Chancen, dass er durchgeht, tendieren gegen Null. Zwei der 8 Parteien haben Ihre Zusage zurückgezogen, an der Kundgebung teilzunehmen. Sie möchten doch nicht gemeinsam auf einer Bühne stehen. Es scheitert wieder an der Kooperation.

So wie schon in 2014, als die hoffnungsvollste Oppositionspartei noch vor der Wahl an persönlichen Eitelkeiten gescheitert ist.“ Er wirkt mutlos und enttäuscht. „Für morgen ist ein starker Orkan angesagt. Wir werden die Kundgebung vermutlich ohnehin aufgrund von Sicherheitsbedenken absagen.“ Es wirkt nicht wie die ganze Wahrheit. Der angekündigte Orkan am nächsten Tag stellt sich als harmloser Regen heraus. Der Spott, der sich seitens der Medien und einiger Parteien über Márton und seine Bewegung ergießt, ist heftiger.

Es ist ein herber Rückschlag, den Márton verkraften muss. Während des Mitgliedertreffens der Aktivisten in ihrem Headquarter, der Altbauwohnung, in der auch „Slejm“ produziert wird, herrscht gedämpfte Stimmung. Fragen, warum eine Absage nötig war, mit wem sie entschieden wurde, warum nicht alle gefragt wurden, wie es nun weitergeht. Der Kopf der Bewegung antwortet den Fragen seiner Mitstreiter gewohnt höflich und eloquent, aber der Ton seiner Stimme ist leise und entmutigt.

Die Taktik ist nicht aufgegangen. Eine Neue muss her, inhaltlich fundiert und klug orchestriert.




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Krisensitzung im Hauptquartier

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Demokratische Parallelwelt

Nachdem im Oktober 2017 das Referendum zur Änderung des Wahlrechts im Parlament ohne Anhörung abgelehnt wurde, sieht Márton sich in der Pflicht, zu handeln. Mit friedlichen Aktionen zivilen Ungehorsams will er von nun an medienwirksam aufrütteln und die von der Regierung verursachten Missstände aufdecken. Gemeinsam mit den befreundeten Aktivisten von „Die Stadt gehört Allen“ (A Város mindenkié) besetzt der Aktivist ein Kaffeehaus auf dem Burgberg. Nach Angaben der Aktivisten wurden die Sozialwohnungen im Haus von einem Schulfreund der Tochter Victor Orbáns aufgekauft und zu einem teuren Boutiquehotel mit elegantem Café im Parterre umfunktioniert.

Nepotismus ist in Ungarn Usus. Wer sich in den richtigen Kreisen bewegt, hat die Möglichkeit in kurzer Zeit zu viel Geld zu kommen. Währenddessen steigen die Mietpreise in der Hauptstadt und bezahlbarer Wohnraum für Normal- und Geringverdiener wird knapp.

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, geht Márton gemeinsam mit den Aktivisten auf Konfrontation. Der Cafébetreiber steht hilflos vor der Tür, als sich die enge Straße mit Medienvertretern füllt. Die bestellte Polizei reagiert wenig interessiert und erklärt dem Besitzer, sie könne nichts unternehmen, solange die Personen nur im Café säßen.
Nach einigen Stunden löst sich der Sitzstreik ohne große Aufregung auf. 

Einige Wochen später stellt der Rechnungshof Untersuchungen bei Oppositionsparteien wegen angeblich illegal erhaltener Parteispenden an. Hohe Strafzahlungen drohen den betroffenen Parteien.

Die nach der Wende als Kontrollorgan gegen Korruption gegründete Behörde wurde bisher nie tätig. Da es zunächst die rechtsnationale Jobbik-Partei trifft, ist die Opposition gespalten, ob man sich einsetzen soll. Doch als weiteren Oppositionsparteien Bußgelder drohen, entscheidet Márton, eine weitere Aktion zivilen Ungehorsams zu starten.

Zu fünfzehnt streichen sie die Fassade des Rechnungshofes mit abwaschbarer, orangener Farbe um den Einfluss von Fidesz auf die Behörde zu veranschaulichen.

Die umher stehenden Polizisten reagieren zaghaft und halten Márton an: „Bitte mein Herr, lassen Sie das“. Ohne Festnahme werden die Personalien der Aktivisten notiert. Nebenbei moderiert Márton Guylás die aktuellen Geschehnisse im „Slejm“ Facebook Livestream. Die herbeigeeilte Presse hält die Geschehnisse fest.
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Ziviler Ungehorsam

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Der stärkste Gegenkandidat

Eine Eskalation wird Orbán nicht stürzen können. Der Wähler muss aktiviert und sensibilisiert werden. In einem an Star Trek angelehnten Animations-Video bietet Mártons „Ein Land für Alle“-Bewegung die Taktik, mit der die übermächtige Fidesz-Partei zumindest an der 2/3-Mehrheit gehindert werden kann.

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Die Macht der Mehrheit 

Eine weitere 2/3-Mehrheit könnte in der kommenden Wahlperiode einen noch weitreichenderen Staatsumbau bedeuten. Eine der Folgen wäre, möglicherweise gar keine freien Wahlen in 2022 mehr zu haben. Anders als im Ausland gibt es vor den Wahlen keine Fernsehdebatten mit Kandidaten der Regierung und Opposition. Kritische Stimmen bezeichnen die regierungsnahen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- und Radiosender als Propagandaorgan der Orbán-Regierung. Eine ausgewogene Berichterstattung fehlt.

Die „Ein Land für Alle“-Bewegung organisiert bis zur Parlamentswahl am 8. April landesweit Diskussionsforen in Szeneclubs der Budapester Innenstadt und Gemeindehäusern ländlicher Regionen, bei denen alle Oppositionsparteien miteinander debattieren. Facebook Live-Streams versorgen interessierte Bürger, die persönlich nicht teilnehmen können. Wie in herkömmlichen Gesprächsduellen erhalten die Kandidaten zu den von Márton Gulyás gestellten Fragen festgelegte Redezeiten. Von KOM organisierte Umfragen in den Wahlkreisen ermitteln den Kandidaten im Bezirk, der die meiste Zustimmung der Wähler findet. Treten nun die anderen Oppositionskandidate im Wahlkreis zugungsten des Stärksten zurück und Unterstützen diesen, besteht die Möglichkeit, Fidesz im Wahlkreis zu besiegen. In mindestens 40 von 109 Wahlkreisen muss die Opposition siegen, um eine erneute 2/3 Mehrheit der Orbán-Regierung zu verhindern.

Gebetsmühlenartig predigt Márton Gulyás die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Opposition. „Der wichtigste Schritt ist, die 2/3 Mehrheit für Fidesz zu verhindern. Danach können die Parteien wieder inhaltlich miteinander konkurrieren. Der Erhalt der Demokratie muss an erster Stelle stehen.“

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Das Rezept geht auf - Ein erster taktischer Sieg

Márton Gulyás betreibt in den Wochen und Monaten vor der Wahl unermüdliche Missionarsarbeit, um die Wähler wachzurütteln. Es ist ein hoch gestecktes Ziel in einem Land, welches das Vertrauen in die Politik längst verloren hat. Und das Interesse in der Bevölkerung wächst stetig.

Die Wahl des Bürgermeisters in der Südungarischen Kleinstadt Hodmezövásárhely gilt als Stimmungsbarometer vor der Parlamentswahl. Es ist die Heimatstadt von Orbáns Bürovorsteher János Lázár, eine Fideszhochburg. Die letzte Bürgermeisterwahl 2014 gewann Fidesz souverän mit 61 Prozent. Doch das Vertrauen der Wähler schwindet. Die Skandale um veruntreute EU-Gelder und Vetternwirtschaft um Viktór Orbáns Schwiegersohn István Tiborcz bleiben nicht ungehört.

In den Wochen vor der Bürgermeisterwahl organisiert Mártons „Ein Land für Alle“-Bewegung auch in Hodmezövásárhely Diskussionsforen, bei denen sich die gesamte Opposition beteiligt. Schnell stellt sich heraus, dass der parteilose Kandidat Péter Márki-Zay den meisten Zuspruch der Bürger findet.

Zum ersten Mal kann Mártons Taktik angewendet werden: Als sich abzeichnet, dass Márki-Zay der stärkste Kandidat unter den Oppositionspolitikern ist, treten die Mitbewerber der grünen LMP, der sozialistischen MSZP und der rechtsnationalen Jobbik von der Wahl zurück und unterstützen im weiteren Wahlkampf den Kandidaten, der die größten Chancen hat, gegen den Fidesz-Bewerber erfolgreich zu sein. Ein mehrköpfiges Team der „Ein Land für Alle“-Bewegung bleibt bis zur Wahl in Hodmezövasarhely, um die Wahl zu beobachten.

Am 25. Februar passiert das Unerwartete. Mártons Taktik geht auf. Mit den vereinten Stimmen der Opposition gewinnt Péter Márki-Zay die Wahl zum Bürgermeister. Die Überraschung und Erleichterung in der Opposition ist groß. Bisher hatte selbst die Opposition keinen Zweifel, dass es im April unmöglich sein würde, Viktór Orbán und Fidesz zu besiegen.

Die Politiker von Hodmezövásárhely haben gezeigt, dass es mit Kooperation möglich ist. Geschlossen stehen alle Kandidaten der Opposition bei der Siegesrede von Márki-Zay hinter dem neuen Bürgermeister der Stadt und feiern ihren gemeinsamen Erfolg.

Am 8. April wird sich zeigen, ob Márton Gulyás auch Politiker weiterer Wahlkreise mit seiner Taktik inspirieren konnte und die Festung der Fidesz-Partei bröckelt.

Wie so oft in Ungarn hängt es am Stolz Einzelner.

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REKA

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Sie ist eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Kraftvoll und ohne Zurückhaltung bahnen sich ihre Worte brachial den Weg, manchmal wie eine schallende Ohrfeige für den Adressaten. Sie ist unbequem und macht sich mit ihrer Direktheit auch Feinde. Aber das kümmert sie wenig. Still sein, brav sein – das ist nicht die Rolle der Frau in 2018, findet Réka Kinga Papp. Man spürt die Kraft, die in ihr brodelt. Ausgelöst von der Wut über Ungerechtigkeit und Missstände in Ungarn. Sie gibt sich nicht zufrieden damit, dass alles schlimm zu finden und anderen die Aufgabe zu überlassen, Ordnung zu schaffen.
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Dr. Paprika

Réka Kinga Papp ist in Ungarn eine bekannte und berüchtigte Radiomoderatorin, Comedienne und politische Kommentatorin. In Ihrer wöchentlichen Youtube-Sendung „Feles“ erklärt sie humorvoll und pointiert Politik und Gesellschaftsthemen aus dem In- und Ausland. Ihren Alias trägt sie, weil durch die in Ungarn übliche Erstnennung des Nachnamens Papp Réka wie Paprika klingt.

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Das Rücklicht Europas  

 „Die Frau ist das Prinzipium. Ihre Aufgabe ist es, die Kinder zu gebären. Die Aufgabe des Mannes, der Versorger zu sein.“

Charmant gemeint ist dieses Argument während der Verhandlung um die Restaurantrechnung mit einem ungarischen Mann. Eine ernst gemeinte Geste, die an elegante Zeiten von Kaiser und Königreich erinnern soll. Aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Als Frau erlebt man in Ungarn viel Schmeichelei, aber mit einer Teilnahme an ernsten, politischen Diskussionen irritiert man sein männliches Gegenüber meist.

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 Nur 3,5 Prozent der Politiker im ungarischen Parlament sind laut Bericht des Weltwirtschaftsforums 2017 Frauen. Das Kabinett der regierenden Fidesz-Partei ist ausschließlich männlich. Europaweit rankt Ungarn damit auf dem hintersten Platz, umringt von Ländern wie China, Brunei oder Swaziland. Abgeschlagen findet sich Ungarn auf Platz 103 des Gender Pay Gap Rankings 2017 des Weltwirtschaftsforums. Pro Euro verdient eine Frau in Ungarn durchschnittlich 68 Cent Die Rolle der Frau in Ungarn ist im Allgemeinen immer noch traditionell: Ehefrau und Mutter. Der Job dient dem Unterhalt der Familie, nicht der Karriere. Junge Frauen wie Réka Kinga Papp wünschen sich Veränderung. Nicht jede möchte sich in die traditionelle Frauenrolle einfügen. Und selbst wenn, hält das wahre Leben nicht für alle Frauen die Erfüllung eines Mädchentraums von Ehemann, Haus und Kind bereit. Als getrennt erziehende Mutter kennt Réka Kinga Papp die Herausforderungen berufstätiger Eltern.
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Die politische Aktivistin

Der einzige Weg, ein lebenswerteres Ungarn zu schaffen, ist das Wahlsystem zu ändern, findet die Réka Kinga Papp. In den vergangenen Jahren konnte die Fidesz-Regierung unter Orbán dank 2/3-Mehrheit ungestört Wahlbezirke zu Gunsten der Kandidaturen verschieben und die Stimmgewichtung manipulieren. In den USA nennt man dieses Verfahren „Gerrymandering“. Grenzen des Wahlbezirks werden anhand der potentiellen Wählerstimmen in Ortsteilen verschoben, um so dem favorisierten Kandidaten einen Vorteil zu verschaffen. 

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Korruption und Schikane 

Vetternwirtschaft und Korruption hat das private Umfeld Viktor Orbáns reich gemacht, während 40 Prozent der ungarischen Bevölkerung an der Armutsgrenze lebt. Orbáns Jugendfreund Lörincz Mészáros, ein Gas-Wasser-Installateur aus der Provinz ist heute Ungarns reichster Mann. István Tiborcz, Orbáns Schwiegersohn, geriet ins Visir der Europäischen Antikorruptionsagentur OLAF. Die EU-Behörde deckte die Veruntreuung von EU-Fördergeldern in Höhe von 51 Millionen Euro auf. Die mit den Ermittlungsunterlagen betraute Staatsanwaltschaft untersuchte den Fall jedoch bisher nicht weiter.

Neben ihrer Medien- und Bühnenpräsenz engagiert sich Réka Kinga Papp aktiv für die Schwächeren in der Gesellschaft. Als Fürsprecherin für die Rechte von Sexarbeiterinnen stellt sie sich gegen die Kriminalisierung von Prostituierten in Ungarn. „Zwar ist Sexarbeit in Ungarn nicht illegal. Dennoch werden diese Frauen häufig von der Polizei schikaniert und mit Geldbußen belegt“, erklärt Réka. „Manche Polizisten betrachten das als eine Art Subbotnik, einen Arbeitseinsatz außerhalb des Dienstes und behalten die eingenommenen Geldbußen. Die Frauen haben nur wenig Möglichkeit, sich gegen die Bezahlung sich zu wehren.“ Korruption und Schmiergeld sind in Ungarn weit verbreitet und treffen naturgemäß besonders die finanziell Schwachen.

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Die wöchentliche Aufklärungsstunde 

Als Journalistin und Autorin fokussiert Réka ihre Artikel auf feministische Kindererziehung und die rechtlichen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten für Sexarbeiterinnen. Zu Jahresanfang veröffentlichte sie ein Buch mit Geschichten über Sexarbeit. Jede Woche erklärt die studierte Journalistin auf einem YouTube-Kanal unterhaltsam die Welt. Ihr Ziel ist es, den Wissenshorizont der Zuschauer zu erweitern. In staatlich Medien fehlt der unverstellte Blick auf Innen- und Außenpolitik. Ob Kapitalismus, das ungarische Wahlsystem,  Donald Trump oder die #MeToo-Debatte, in viertel- bis halbstündigen Sendungen erläutert Réka Kinga Papp leicht verständlich, humorvoll und satirisch aktuelle Themen.
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Behind the Scenes bei der Aufnahme der #MeToo-Episode von Feles

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  Ob sich die Situation in Ungarn in naher Zukunft zum Positiven verändern wird, vermag Réka nicht vorherzusehen. Aber sie ist bereit, die häufig passiven Ungarn weiterhin wachzurütteln. Und wenn sie dabei mit dem Nudelholz auf den Tisch schlagen muss.
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LILI

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Auf der schwarzen Liste der Regierung

Lili Bayer ist eine mädchenhafte Frau Mitte zwanzig. Ihre Körpergröße von knapp 1,60 lässt sie im Trubel der Flaniermeile an der Andrassy Straße fast verschwinden, bevor sie ihr Stammcafé in einer Seitenstraße betritt. Sie findet einen Platz auf der Empore im hinteren Teil des hallenartigen Raums und richtet ihren Arbeitsplatz ein. Ihre leise Stimme bricht, als der Kellner sie nach der Bestellung fragt, während sie an ihrem Laptop an einem Artikel schreibt. Es verwundert, dass Ungarns Regime diese zierliche Person so sehr fürchtet.

Im September 2017 veröffentlicht die Fidesz-nahe Nachrichtenseite 888.hu eine Liste angeblicher ausländischer Propagandisten. Die weiteren acht aufgeführten Journalisten sind ungarische Staatsbürger, die für ausländische Medien wie ZDF, Deutsche Welle oder Reuters arbeiten. Zuvor waren sie bei linksliberalen Zeitungen angestellt. Lili Bayer hingegen ist ein Neuling. Erst vor knapp drei Jahren kam sie nach Budapest.

Als sie 2015 in die ungarische Hauptstadt zieht, um den Nachlass ihrer Großmutter zu verwalten, arbeitet die Oxfordabsolventin tagsüber noch als politische Analystin. Durch den Alltag in Budapest wächst ihr Interesse an den Entwicklungen im Land unter der Regierung Viktór Orbáns. Nachts beginnt sie, Artikel zu schreiben, die sie bei der europäischen Ausgabe von POLITICO einreicht.

Sie beschäftigt sich mit der schwachen Wirtschaftslage Ungarns, der Anti-Flüchtlingspolitik der Fidesz-Regierung und dem Konflikt mit Brüssel über die Kosten des Zaunbaus an der EU-Außengrenze. Wegen ihrer kritischen Artikel gerät sie ins Visier der Regierung. Wie ihren Kollegen auf der schwarzen Liste unterstellt 888.hu auch Lili Bayer, dass „Onkel Georgie Ihr Sugar Daddy“ sei. Gemeint ist George Soros.  Zu diesem Zeitpunkt im September 2017 ist die Hetzkampagne gegen den ungarisch-stämmigen Milliardär bereits voll entfacht.

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Die 4. Gewalt

Die Diffamierung ausländischer Journalisten ist nur ein weiterer Höhepunkt in einem Land, in dem die Pressefreiheit seit der Wiederwahl Viktór Orbáns als Ministerpräsident im Jahr 2010 immer weiter schwindet. In demokratischen Ländern steht der freie Journalismus als Kontrollorgan neben Judikative, Exekutive und Legislative für die vierte Gewalt im Staat. Seit 2010 wird die Freiheit der Medien durch die Regierung auf unterschiedlichen Wegen immer weiter eingeschränkt.

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Kritische Töne unerwünscht

Unmittelbar nach der Wahl Orbáns zum Ministerpräsidenten in 2010 beschließt die Regierung ein Mediengesetz, welches mit Raum für Interpretation „unausgewogene Berichterstattung“ und die Verletzung von „Informationspflichten“ mit Strafzahlungen von bis zu 90.000 Euro belegt.

Die öffentlich-rechtlichen Medien werden zentralisiert, staatliche Werbeanzeigen werden gezielt nur noch in regierungskonformen Medien geschaltet. Das Ausbleiben von Werbeeinnahmen bedroht die Existenz unabhängiger Radio- und Fernsehsender, sowie Print- und Onlinemedien. Denn nicht nur Einnahmen aus staatlichen Anzeigen fehlen, viele Werbetreibende sind eingeschüchtert und fürchten willkürliche Prüfungen ihrer Unternehmen und Schikanen der Regierung, wenn sie weiterhin kritische Medien unterstützen. Lokalzeitungen werden flächendeckend von reichen Oligarchen, wie Lörinc Meszáros, einem Jugendfreund Orbáns, aufgekauft.

Seither ähneln sich die Inhalte der regionalen Tagespresse und berichten den Lesern einheitlich und Fidesz-freundlich. Kritische Töne oder Berichterstattung über Oppositionsstimmen sind verstummt. Öffentlich-rechtliche Medien werden zentralisiert und direkt von der Regierung mit Meldungen versorgt. Es gibt nur noch wenige unabhängige Radio und Fernsehsender, auf denen Zuschauer auch kritische Polittalkshows und Berichterstattung über Oppositionsparteien empfangen können.

Quasi über Nacht wird am 8. Oktober 2016 die traditionsreiche links-liberale Zeitung Népszabadság vom Mediaworks-Verlag des Orbán-Vertrauten Meszáros aufgekauft. In den Wochen zuvor deckte die Redaktion einen Veruntreuungs-Skandal auf: Ein Regierungsmitarbeiter ließ sich samt Familie mit einem Helikopter der Regierung zu einer Hochzeit fliegen. Die Regierung geriet zusehends unter Druck.  Als die Redakteure am Samstagmorgen zur Arbeit erscheinen, stehen sie vor verschlossenen Büroräumen. Im Emailpostfach finden die Mitarbeiter ein Schreiben, welches darüber informiert, dass die Zeitung mit sofortiger Wirkung aufgrund unzureichender Rentabilität eingestellt wird. Die wichtigste Oppositions-Zeitung Ungarns existiert nach 60 Jahren nicht mehr.




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Befehl von ganz oben

Whistleblower, die für das staatseigene Senderkonsortium MTVA arbeiten, berichten im Februar auf dem Sender Al Jazeera Europe von fehlender journalistischer Freiheit im Sendebetrieb und einem ungesunden Betriebsklima. Gegenüber Al Jazeera beschreiben die Mitarbeiter, die Regierung würde vorgefertigte Meldungen produzieren, die häufig im Wortlaut gesendet würden. Kritische Berichterstattung sei ausgeschlossen, berichtet einer der Whistleblower.
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Whistleblower des ungarischen Staatsfernsehens berichten- auf Al Jazeera über die durch die Regierung manipulierte Berichterstattung.
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Feindbilder als Ablenkungstaktik

Um von den tiefgreifenden Problemen im Land abzulenken, sucht die Fidesz-Partei von Viktór Orbán regelmäßig nach einem Sündenbock außerhalb der Regierung. 2016 zielte die Regierung mit einer groß angelegten Kampagne auf Geflüchtete, die auf großen Plakatwänden landesweit auf Ungarisch aufgefordert wurden, den Einheimischen nicht die Arbeit wegzunehmen. 2017 erfand man ein neues Narrativ. Der ungarisch-stämmige Milliardär und Philanthrop George Soros solle Pläne schmieden, ganz Europa mit Flüchtlingen aus Afrika und Nahost zu überschwemmen. Landesweit werden Ungarns Bürger auf Plakatwänden mit einem lachenden Portrait Soros´ aufgefordert: „Der Soros-Plan – Lasst nicht zu, dass er zuletzt lacht“.



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Zeitgleich erhalten wahlberechtigte Haushalte landesweit einen Fragebogen zur „Nationalen Konsultation“, in dem erfundene oder verdrehte Behauptungen den Hass auf den im Ausland lebenden Finanzier von Hilfsorganisationen und Zivilbewegungen schüren sollen. Das Anliegen der Regierung dabei ist jedoch nicht die Verhinderung einer drohenden Islamisierung Ungarns. Sie ist ein willkommenes Angstszenario, das dem Wähler verkauft wird, um den Wiederstand gegen die Verabschiedung eines Gesetzes einzudämmen, welches mit ausländischen Geldern unterstützte Nicht-Regierungsorganisationen ihre Tätigkeit im Land erschweren und mit Steuerabgaben belegen soll. Eine dieser Organisationen ist Soros' Open Societies Foundation, in den 90er Jahren gegründet, um demokratische Bewegungen und Organisationen zu unterstützen.
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In einer seltenen Stellungnahme äußert sich Soros im Juli 2017:

„Der Gebrauch antisemitischer Darstellungen als Teil einer gezielten Desinformationskampagne der aktuellen Ungarischen Regierung bestürzt mich.“

Als sich Berichte über antisemitische Schmierereien auf Plakatwänden häufen, fordert der Vorsitzende der größten jüdischen Organisation Ungarns „Mazsihisz“, András Heisler, Victór Orbán zur Einstellung der Kampagne auf, deren „giftige Botschaft ganz Ungarn“ schade. Er und weitere Kritiker bleiben ungehört.
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  Als im September die „Nationalen Konsultation“ zum „Soros-Plan“ an die ungarischen Haushalte versandt wird, meldet sich Lili Bayer in einem Tweet zu Wort, auf den Regierungssprecher Zoltán Kovács erstaunlich impulsiv mit einem Southpark-Meme reagiert:
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Entlassungsforderung

Zu diesem Zeitpunkt ist Lili Bayer schon längst bei der Regierung in Ungnade gefallen. In einem Interview auf dem Sender ATV erzählt Kovacs, angesprochen auf den Tweet, dass er „das Fräulein“ Lili Bayer bereits aus der wöchentlichen Pressekonferenz ausgeschlossen hat. Auf Nachfrage des Moderators räumt er ebenfalls ein, mit dem Chefredakteur der Brüsseler Redaktion von POLITICO Kontakt aufgenommen zu haben, um ihnen eine Entlassung Bayers nahezulegen, da es seiner Meinung nach für eine renommierte Zeitung wie POLITICO unziemlich sei, eine Aktivistin unter ihren Schreibern zu haben. Er fuhr fort, dass die Regierung Lili Bayer nicht als Journalistin sähe und weiter nicht bereit sei, mit ihr zu arbeiten.

Lili Bayer schreibt weiterhin für POLITICO und weitere liberale Medien und wird nachdem die Berichterstattung zu den Wahlen Ungarn beendet ist, nach Brüssel ziehen um dort zu arbeiten.
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BALINT

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Ungarn von Unten

Im Innenhof des verfallenen Wohnhauses, gelegen in einem Budapester Randbezirk, treffen an diesem Sonntagmorgen im Februar gegen 10 Uhr bekannte Lokalpolitiker, Reporter mit schweren Kameras und junge Aktivisten ein. Die bröckelnden Laubengänge des U-förmigen Baus sind provisorisch mit Balken abgestützt. Hundekot bedeckt die kargen Flächen ehemaligen Grüns. Das zerrissene Wärmedämmverbundsystem hängt an manchen Stellen aus den Wänden, als seien es Wunden, zugefügt durch wütende Tritte übermütiger Jugendlicher. Sie wohnen mit Ihren Eltern hier. Noch. Denn zum Ende des Wintermoratoriums im Mai steht ihnen die Zwangsräumung ins Haus. Der Eigentümer wird das Gebäude abreißen. Eine alternative Wohnung bietet der Eigentümer den Bewohnern des Abbruchhauses nicht.

Bezahlbarer Wohnraum für Menschen, die an der Armutsgrenze leben, ist kaum vorhanden. Viele der Familien im Wohnkomplex in der Bihari Straße wissen nicht, wohin sie ziehen sollen. Manche werden mit Glück noch eine neue Wohnung finden. Einige kommen eine Zeit lang bei Verwandten unter. Die beengten Verhältnisse dort können jedoch nur eine Übergangslösung sein. Obdachlosenunterkünfte sind gering. Manche der Bewohner werden sich auf der Straße wiederfinden. Ein 1997 verabschiedetes Gesetz untersagt, dass Kinder von ihren obdachlosen Eltern getrennt werden. Die aktuelle Realität sieht anders aus.

Unter Viktor Orbáns Fidesz-Regierung genießen Familien mit Kindern keinerlei Schutz vor Zwangsentmietung. Sobald Eltern heute in Ungarn ihren festen Wohnsitz verlieren, werden ihre Kinder in Heimen untergebracht. Die Trennung der Kinder von Ihren Eltern erfolgt häufig mit Polizeieinsatz. Belegt sind auch besonders brutale Praktiken.

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Die Stadt gehört Allen!

Eine Obdachlosenorganisation hat zur Pressekonferenz gerufen, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Unter den Fremden, die den Innenhof füllen, läuft ein junger Mann auf und ab, spricht mit den Politikern und Pressevertretern und platziert mit ehemals obdachlosen Aktivistenkollegen ein großes Banner hinter den Sprechern. „Wir fordern die Einstellung von Zwangsräumungen“ steht in weißen Lettern auf der schwarzen Plane geschrieben.

 Der junge Mann ist Bálint Misetics, der Mitbegründer der Aktivistengruppe „Die Stadt gehört Allen“ (A Város mindenkié). Er möchte nicht akzeptieren, dass Menschen schutzlos vor die Tür gesetzt und Familien zerrissen werden, weil der Staat versagt. Die Aktivisten fordern die Unterlassung von Zwangsräumungen ohne anschließende Unterbringung der Betroffenen in Schutzräumen.

Obdachlosenunterkünfte in Ungarn sind rar. Die Aktivistengruppe versteht sich nicht als hierarchisches Konstrukt von Wohltätern. Sie ist eine Graswurzelbewegung, in der sich Obdachlose und ehemals Obdachlose gemeinsam mit engagierten Unterstützern und Fürsprechern für positive Veränderungen einsetzen. Mitgründer Bálint hat sich schon als Jugendlicher politisch stark gemacht, ob bei Demos gegen die Abschaffung des Flaschenpfands oder gegen den Krieg im Irak. Letztlich brachte ihn ein Sleep-out der Problematik von Obdachlosigkeit in Ungarn näher. Der Gedanke, Menschen schliefen ungeschützt draußen auf dem Boden in den Straßen der Stadt, berührte ihn tief.




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Gemeinsam mit seiner Kollegin Tessza Udvarhelyi gründete er 2009 A Város mindenkié. Die Organisation kämpft um bezahlbaren Wohnraum, den Erhalt von Sozialwohnungen und das Recht auf Obdach für die Ärmsten im Land. Als die Nationalversammlung knapp zwei Wochen nach der Pressekonferenz in der Bihari Straße das beschleunigte Verfahren der Aktivistengruppe für den Gesetzesentwurf zum Schutz von Familien vor Zwangsräumung ohne Diskussion ablehnt, mahnen die Aktivisten vor dem Parlamentsgebäude mit einem mehrere Meter langen Banner, auf dem ein Zitat des Ministerpräsidenten steht: „Ungarn ist nicht das Land zwangsgeräumter Menschen“ Victór Orbán 2017.

Das dies nicht der Realität entspricht, belegen die offiziellen Zahlen der Vereinigung ungarischer Zwangsvollstrecker. Im Jahr 2017 wurden 3.636 Wohnungsräumungen  vollzogen, im Vorjahr 2016 3,100. Auch die ungerechte Familienpolitik der regierenden Fidesz-Partei hat einen Einfluss. Die finanziell besonders Schwachen erhalten die geringste staatliche Unterstützung. Während der Beihilfesatz von Familiengeld und Betreuungsbeihilfe für Mindestlohn- und Durchschnittsverdiener um jeweils ca. 50 Prozent ergänzt durch Steuervergünstigungen stieg, blieb der Satz für Familien mit arbeitslosen Eltern seit 2009 unverändert.

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Knapp 10 Millionen Einwohner zählt Ungarn. 40 Prozent der Menschen dort leben an der Armutsgrenze. „1 – 1,5 Millionen Ungarn sind akut von Obdachlosigkeit gefährdet. Gründe dafür sind wie überall auf der Welt Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung vom Partner, Alkoholsucht und dem gegenüberstehend die steigenden Preise für Miete und Lebensunterhalt. Aber natürlich führen diese Umstände nicht zwingend in die Obdachlosigkeit.



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"Der Grund für die hohe Zahl in bitterer Armut lebender Menschen liegt im System“, erklärt Bálint Misetics. „Die soziale Absicherung ist europaweit in Ungarn die geringste. Hat man seine Beschäftigung verloren, erhält man drei Monate lang Arbeitslosenhilfe. Danach folgt eine Sozialhilfe in Höhe von 22.800 Forint monatlich, umgerechnet 75 Euro. Diese steht nur einem Familienmitglied zu. Hat man kein Wohneigentum, ist die Lage prekär.“

Die in den vergangenen fünf Jahren rasant gestiegenen Mietpreise in der Hauptstadt bereiten Geringverdienern Schwierigkeiten. Eine Krankenschwester mit einem Durchschnittslohn von 90.000 Forint kann sich auf dem regulären Wohnungsmarkt keine Miete mehr leisten. Glück haben diejenigen, die unter Marktpreis von Bekannten mit Immobilienbesitz mieten können. Eine Wohnung unter 100.000 Forint, umgerechnet ca. 330 Euro zu finden ist selten. „Auch ein Akademikerpaar wie meine Freundin und ich hätten Not, die Miete für unsere Wohnung zum Marktpreis zu bezahlen. Wir haben Glück, dass wir den Eigentümer kennen und dieser darauf verzichtet, den regulär erzielbaren Mietzins aufzurufen. Sonst könnte ich mir als Doktorand der Sozialpolitik mit Beratungs- und Coachingaufträgen eine Zwei-Zimmerwohnung nahe des Budaer Rosenhügels nicht leisten.“ erzählt Bálint von den Wohnungssorgen, die sich in Budapest durch alle Gesellschaftsschichten ziehen.
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"Ungarn ist nicht das Land obdachloser Menschen"
Viktor Orbán

Mit der breiten Unterstützung der Oppositionsparteien engagieren sich Bálint Misetics und seine Aktivistenkollegen von A Varós mindenkié für gerechtere Sozialgesetze. Die Fidesz-Regierung ignoriert indes den Notstand.





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Gefängnisstrafe für Kaminholz

Doch nicht nur die steigenden Mietpreise fördern prekäre Wohnverhältnisse. Die Ausgrenzung von Minderheiten, insbesondere der Roma-Bevölkerung Ungarns hat zu isolierten Dörfern und Gemeinden geführt. Arbeit gibt es dort kaum, die Armut ist groß. Die Menschen leben in Vierteln mit maroder Infrastruktur in überfüllten Wohnungen ohne Grundversorgung. Die ethnische Stigmatisierung der ungarischen Roma äußert sich insbesondere durch systematische Kontrollen der Polizei.

Bußgelder für kleine Vergehen wie das Fahrradfahren ohne ausreichend Beleuchtung sind an der Tagesordnung. Diese Strafzahlungen belasten die Betroffenen, sofern sie überhaupt fähig sind, diese zu begleichen. Den meisten Romafamilien fehlt selbst das Geld für Strom oder Kaminholz. Ohne beides droht in unbeheizten, schlecht gedämmten Häusern im Winter der Erfrierungstod. Auf das illegale Schlagen von Kaminholz, oder das Anzapfen des Strommastes steht Haft. Die Marginalisierung und Kriminalisierung dieser ethnischen Minderheit ist gängige Praxis der lokalen Polizei. 149 Menschen sind in Ungarn im Winter 2017/2018 laut der Vereinigung „Ungarisches Sozialforum“ (Magyar Szociális Fórum) erfroren.

 In der Pressemeldung der Organisation wurde angeführt:
- 53 % der Todesopfer starben im Freien, während des Krankentransports, oder kurz nach Ankunft im Krankenhaus
- 47 % der Todesopfer starben in unbeheizten Wohnräumen


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  Mit Aktionen zivilen Ungehorsams machen Bálint, Tessza und ihre Mitstreiter von „Die Stadt gehört Allen“ aufmerksam auf die im Land herrschenden Missstände. Anstehende Zwangsräumungen blockieren Sie mit Menschenketten, die Arme fest ineinander verschränkt, oder die Hände in Abflussrohren aneinander gebunden, um das Vordringen der Zwangsvollstrecker zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Ihr Anliegen ist es, Haltung zu zeigen und ein Zeichen zu setzen, die Ungerechtigkeit spürbar und sichtbar zu machen.
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In der Dokumentation "No country for the poor" erlebt man hautnah die Situation wohnungsloser und armer Menschen in Ungarn.
Das Filmteam begleitet die Aktivisten "A Város minenkié" bei ihrer täglichen Arbeit.
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Andras

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  „2010 war ich selbst Orbán-Wähler. Ich stamme aus einer Anti-Kommunistischen Familie und meine Eltern waren große Befürworter von Orbán und Fidesz. Das ist meine Sozialisation. Aber ein halbes Jahr nach der Wahl 2010 habe ich meinen Glauben komplett verloren, in Fidesz und in die gesamte ungarische Politik.“

Heute will András Fekete-Györ  Ungarn  mit seiner eigenen Partei reformieren. Der attraktive Mittzwanziger fällt in abgeschnittenen Skinny Jeans und Slimfit Hemd zwischen jungen Budapestern und Touristen nicht weiter auf. Aber sein Alltag ist nicht erfüllt von generationstypischem Hedonismus. Er ist getrieben von seiner selbstgewählten Mission. Wie ein Einserschüler versucht er konzentriert alle zurechtgelegten Versatzstücke seiner Geschichte eloquent und professionell zu erzählen. Er ist ein introvertierter Denker, keine Rampensau. Aber sein Anliegen brennt so stark in ihm, dass er scheinbar bereit ist, persönlichen Komfort hinter seinem großen Anliegen anzustellen. Tag und Nacht arbeitet er am Wandel in Ungarn, sagt er. Geld hat er bei Jobs im Ausland angespart, um zunächst unentgeltlich am Erfolg von Momentum Mozgalom (Momentum Bewegung) zu arbeiten. Aber natürlich hilft es, in eine wohlhabende Familie geboren zu sein und sich dank Eigentumswohnung um die Miete nicht sorgen zu müssen.

Statt nach seinem Jurastudium sein Glück und finanziellen Wohlstand im Ausland zu suchen, entschied er sich in seiner Heimat eine Partei zu gründen, um die Fidesz-Regierung zu stürzen. „Der ungarischen Politik fehlt die Innovation. Die Bevölkerung ist politikverdrossen, flieht aus dem Land. Die Profession des Politikers wird als schmutzig und abstoßend empfunden. Das füttert die politische Apathie der Bürger. Ich spürte, ich habe das Privileg die Welt bereisen zu können, aus einer wohlhabenden Familie zu stammen und somit habe ich eine Verantwortung gegenüber Ungarn und der ungarischen Politik. Mir war bewusst, ich muss gemeinsam mit meinen Freunden einen Weg finden, der Bevölkerung Vertrauen in die Politik zurück zu geben. Sonst wird Ungarn keine Fortschritte machen.“

So größenwahnsinnig dieses Vorhaben auch klingen mag, András Fekete-Györ ist fest entschlossen, mit seiner Momentum Bewegung genau dies zu schaffen. Mit mittlerweile über 200 Parteien zu konkurrieren, erschwert durch ein zwar freies aber unfaires Wahlsystem, schreckt den Sohn aus gutem Hause und mittlerweile über 1.200 Parteimitglieder nicht.
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Die Momentum Generation kehrt Heim 

Knapp eine Million junger Ungarn soll seit 2010 ihre Heimat verlassen haben, um im Westen Arbeit und Wohlstand zu finden. Auch András Fekete-Györ hat in Paris gelebt, in Heidelberg studiert und später im Bundestag ein Praktikum bei der CSU-Fraktion absolviert. Als Anwalt für internationales Recht hätte er eine seine Karriere aufbauen können. Aber es zog ihn zurück in die Heimat.

Nach der Wiederwahl Orbáns 2014 wird ihm klar, die Opposition ist zu zersplittert und ohne Vision, um Wähler zu überzeugen. Mit acht Freunden schließt er sich 2015 zusammen und gründete die Momentum Bewegung. Die Gruppe findet sich aus allen Schichten und politischen Strömungen zusammen. Alle sind um die Wende geboren, aus gutem Elternhaus, gebildet.

András, der gebürtige Budapester, ist ehemaliger Fidesz-Wähler, seine Mitstreiter Sozialdemokraten aus Szeged und auch ein ehemaliges Mitglied der rechts-nationalistischen Jobbik-Partei aus Pécs.

„Wir stehen weder rechts, noch links. Ich würde uns als progressive Patrioten mit einem starken Sozialgefühl definieren. Wir brauchen politischen Frieden. Deshalb möchten wir keiner Ideologie angehören. Jeder ist willkommen sich uns anzuschließen, der an Leistung, Solidarität und ein positives nationales Gefühl glaubt.“ betont András Fekete-Györ.

Fortgewischt sollen alle bisherigen politischen Entwürfe sein. Um eine erfolgreiche, gerechte Zukunft für Ungarn zu bauen, bedarf es anderer Ansätze, findet András Fekete-Györ. Einem ideologiefreien Zusammenhalt und gleichen Zielen. Einige seiner Mitstreiter haben wie András Zeit im Ausland verbracht und kamen aus London oder New York zurück, um sich gemeinsam politisch zu engagieren. Bereits im Frühjahr 2017 kann Momentum Mozgalom einen moralischen Sieg gegen Viktor Orbán erwirken.
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NOlympia 

Als die Regierung die Bewerbung Budapests für die Olympischen Spiele 2024 anvisiert, regt sich Widerstand in der Stadt. Laut Umfragen würden sich in einer Volksbefragung 52 Prozent der Budapester gegen die Austragung der Spiele in ihrer Stadt aussprechen. Mit Unterschriftenständen in Metro-Stationen beginnt die Momentum Bewegung Stimmen für ein Referendum gegen die Bewerbung der ungarischen Hauptstadt zu sammeln. Die Kosten für die Ausrichtung der Spiele würden katastrophale Auswirkungen auf die ungarische Wirtschaft haben, begründet die Bewegung die Aktion, mit der sie das erste Mal öffentlich in Erscheinung tritt. Binnen kurzer Zeit sammelt die Bewegung über 266.000 Unterschriften gegen die Olympia-Bewerbung Budapests in 2024. Doppelt so viele wie für ein Referendum benötigt.

Das Ergebnis trifft die Regierung unerwartet. Kurzerhand zieht diese die Bewerbung für die Spiele zurück. Offiziell wird Regierungssprecher Zsolt Kovács verkünden, die Regierung habe einen Imageverlust für die Stadt verhindern wollen, sofern sie gegen die Mitbewerber Los Angeles und Paris erfolglos blieben. Gestärkt durch diesen überraschenden Erfolg, wächst die Entschlossenheit der Momentum-Mitglieder, sich als Partei zu formieren.

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Macrons En Marche als Vorbild - Die Catch-All-Partei  

Seither arbeitet Momentum Mozgalom daran, für junge Wähler in Ungarn und im Ausland eine attraktive Oppositionspartei zu werden. Auch mit Emanuel Macrons „En Marche“-Bewegung liebäugelt Momentum. Ein Vorbild sei Macron zwar nicht, beeilt sich Fekete-Györ zu betonen, dennoch haben Momentum und En Marche viel gemeinsam. Beide seien Anti-Establishment-Bewegungen, pro-europäisch, auch En Marche stehe weder links noch rechts. Der persönliche Besuch einer Momentum-Delegation bei Brigitte Macron wird stolz auf den Social Media-Kanälen verbreitet. Die Hoffnung auf einen Überraschungssieg wie der Macrons in Frankreich treibt die Jungpolitiker um András Fekete-Györ an. Sie ist getragen davon, es dank Jugend, durchdachter Social Media Strategie, attraktiven Visionen En Marche gleich zu tun und aus dem Nichts gegen die etablierten Parteien zu siegen.
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Bewährtes Rezept mit geliehenen Zutaten 

Sein Alter, seine Ambitionen, der Bart – häufig muss sich András Fekete-Györ den Vergleich mit dem jungen Viktor Orbán gefallen lassen. Seiner Mutter gefällt das gar nicht. Manche Ungarn trauen dem ehemaligen Fideszwähler nicht über den Weg. Teile der Parteistrategie erinnern an die Anfangszeiten von Fidesz. Die Idee zu den sogenannten Aktionskreisen ist ein altes Rezept der heute autoritären Regierungspartei. „Hands-on“-Hilfe mit Verständnis für die Probleme der Bevölkerung in Kleinstädten und Dörfern sollen helfen, die Gunst der Wähler außerhalb der Hauptstadt zu gewinnen.

„Die Leute auf dem Land leben nicht wirklich in Gemeinschaften. Sie sind atomisiert, fühlen sich allein und ausgeschlossen und leben in Angst. Eine unserer wichtigsten Botschaften ist, dass wir alleine schwach und leise, gemeinsam aber laut und stark sind. Diese Aktionskreise bilden Gemeinschaften, die sich gegenseitig helfen und Ressourcen und Erfahrung weitergeben. Wir stellen Fragen. Wir gehen nicht in ein Dorf, um den Menschen zu sagen, was sie zu denken haben, legen nicht fest, was Ihre Probleme und unsere Lösungen dafür sind. Ich als Budapester habe keine Ahnung, welche Probleme es auf dem Land, beispielsweise in Kecskemét oder Debrecen gibt. Wir sprechen offen mit den Menschen und das wird positiv aufgenommen. Gemeinsam werden wir ein solides Programm aufstellen.“ begründet András Fekete-Györ das Engagement in Aktionskreisen.

Auch die bewusst vermiedene Positionierung ist ein Plagiat. Von En Marche vorgemacht, ist auch Momentums Ziel, für ein möglichst breites Spektrum von Wählern attraktiv zu sein. „Catch-All“ nennt sich diese neue strategische Parteiausrichtung. Sie ist geprägt von Entideologisierung und der Abkehr von Klassen- oder Konfessionsausrichtung. Mit einem breitgefächerten, allgemein gehaltenen Programm sollen möglichst viele Wählerstimmen gewonnen werden. Das Parteiprogramm „Lasst uns Ungarn in Bewegung bringen“ umfasst 12 Themenschwerpunkte.

Sie versprechen Entwicklung und Veränderung in Sozialwesen, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Familienpolitik, Infrastruktur und zielen auf mehr Zusammenhalt, Freiheit und Diversität ab. Ansätze, die den Kern der Probleme des Landes und potenziell die Bedürfnisse vieler Wähler treffen. Eine Erklärung, wie dieses Programm umgesetzt werden soll, lässt die Partei jedoch zunächst offen.

Der Wahlkampfauftakt im Januar ist bis ins Detail durchdacht. Parteichef Fekete-Györ kann am Abend nicht in Budapest sein. Er spricht am Abend zeitgleich in der südungarischen Stadt Szeged. Auf der Budapester Bühne steht ein übergroßer Prismenspiegel. Inspiriert von der Performance des französischen Präsidentschaftskandidaten der sozialistischen Partei, Jan-Luc Mélechon in 2016, wird András Fekete-Györ in kürze als Hologram erscheinen und eine brennende Ansprache an die Anhänger im Raum und im Facebook Live-Stream richten.

 Bei der Parlamentswahl im April 2018 schätzt Fekete-Györ die Chancen von Momentum mittlerweile realistisch ein. Momentum will Orbáns Fidesz-Partei aus der Opposition heraus bei jeder sich bietenden Gelegenheit „hauen und schlagen“, verkündet seine flimmernde Projektion.

Mit der Betonung von Social Media-Affinität, technischer Versiertheit und fachlicher Kompetenz will die junge Partei die ungarischen Wähler überzeugen. Im Fokus stehen dabei junge Menschen bis dreißig, die wie die Jungpolitiker der „Momentum Generation“ angehören.


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Auch der Wahlspot der Momentum Bewegung ist strategisch durchdacht. Er erinnert in seiner Dynamik und der motivierenden Ansprache an Werbeclips von Pepsi oder Nike.
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Wach auf Ungarn! - Ein Leben nach Orbán

András Fekete-Györ hat eine klare Zukunftsvision für Ungarn: „Ich wünsche mir für Ungarn in 15 Jahren, dass die Menschen, die das Land in den vergangenen Jahren verlassen haben, bereits zurückgekehrt sind. Sie haben Ideen und Erfahrungen im Gepäck, die sie im Ausland gesammelt haben. Mit Momentum in der Regierung konnten wir dann bereits eine zuverlässige, vorhersehbare Zukunft schaffen. Die Bürger können investieren, denn es geht ihnen finanziell gut. Die Wirtschaft wächst, Arbeitsplätze werden geschaffen, die Armut sinkt, wir haben ein modernes Bildungssystem und ein kritisches Volk. Das moderne Leben ist überall spürbar in Ungarn. Auch kleine Städte konnten wir entwickeln. Die Infrastruktur funktioniert. Wir sind Mitglied der Eurozone und Ungarn ist eines der stärksten mitteleuropäischen Länder sein und seinen innovativen Beitrag leisten.“

Ein Ungarn ohne Viktor Orbán scheint im Moment jedoch noch weit entfernt. Die Opposition ist in viele kleine Parteien aufgeteilt. So besteht nur wenig Chance, einen Wahlsieg gegen Fidesz zu erringen.

Das Auslandswahlrecht erschwert den im westeuropäischen Exil lebenden Ungarn, ihre Stimme abzugeben. Sofern sie einen zweiten Wohnsitz in Ungarn besitzen, sind sie nicht zur Briefwahl berechtigt und müssen zur ungarischen Botschaft des Landes, in dem sie leben reisen, um zu wählen.

Dennoch ist András Fekete-Györ optimistisch. „Wach auf, Ungarn!“ lautete das Motto einer Kundgebung der Partei. Auf ein Erwachen Ungarns aus der politischen Apathie hofft er. Das gesetzte Ziel für die Wahlen im April 2018 ist, ins mit Momentum Mozgalom ins Parlament einzuziehen und Druck auf die Regierung auszuüben.  „Man darf nicht unterschätzen: Das System hat Angst. Alle autoritären Systeme haben Angst. Das war auch während des Kommunismus so, wenn die Bevölkerung auf die Straße gegangen ist, wenn die Menschen demonstrieren wollten, wenn sie ihre Meinung kundgetan haben. Mit Fidesz ist das ähnlich. Wenn sich die Gesellschaft mobilisiert, wird das System sehr schnell zu Fall kommen. 1988 hat vorher kaum jemand gesehen, dass der Systemwechsel binnen eines Jahres geschehen sein wird. Es hatte einen Anfangspunkt und sehr schnell war das System gescheitert. Bei Fidesz wissen wir noch nicht, was der Auslöser sein wird, wenn die Regierung stürzt. Selbst wenn Fidesz wiedergewählt werden sollte, glaube ich nicht daran, dass sie bis 2022 an der Macht sein werden.“ gibt sich András Fekete-Györ kämpferisch.

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